Strategische Implikationen für das China-Geschäft
Regulatorischer Zweck
Der regulatorische Zweck des Sozialkreditsystems für Unternehmen in China, auch bezeichnet als Corporate Social Credit System („CSCS“), ist, daß im Prinzip die Unternehmen, die sich an die chinesischen Gesetze und Rechtsvorschriften halten, regulatorisch belohnt werden, während diejenigen Unternehmen in China, die sich nicht an die chinesischen Gesetze und Rechtsvorschriften halten, regulatorische Nachteile erfahren sollen.
Bewertungssystem: Ratings, Scores, Blacklistings, Redlistings, Close-Watch Listings
Unternehmen in China, auch ausländisch-investierte Unternehmen, unterliegen einem vielschichtigen System von Bewertungen nach dem CSCS. Gegenwärtig besteht kein einheitliches Bewertungssystem zum CSCS, da die Bewertungssysteme je nach Thema unterschiedlich sind. So erfolgt die Bewertung für Steuern nach einem 5-stufigen Bewertungssystem mit der Kategorisierung nach den Buchstaben A (A als beste Bewertung), B, M, C und D (D als niedrigste Bewertung). Die Kategorisierung in den Buchstaben basiert wiederum auf einem Punktesystem. Bei Umweltthemen erfolgt die Bewertung nach einem 4-stufigen Bewertungssystem mit der Kategorisierung von Farben in green cards (als beste Bewertung), blue cards, yellow cards und red cards (als niedrigste Bewertung). Diese Kategorisierung basiert auch wiederum auf einem Punktesystem.
Zudem können Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen auf die positive Redlist, die negative Blacklist oder die Close-Watch-List gesetzt werden. Die Close-Watch-List dient dem Monitoring von Unternehmen, die noch nicht einem Blacklisting ausgesetzt sind. Zudem können lokale regulatorische Besonderheiten bestehen. Es wird erwartet, daß zu späterer Zeit der chinesische Regulator ein einheitliches Bewertungssystem einführen wird. Die zentrale Datenbank des CSCS ist Credit China (www.creditchina.gov.cn). Diese Datenbank ist öffentlich in chinesischer Sprache zugänglich.
Regulatorische Entwicklung
Die regulatorische Entwicklung des CSCS erfolgte bisher insbesondere durch die National Development and Reform Commission („NDRC“) und die People’s Bank of China (“PBOC”). Gleichwohl sind mehr als 40 Organisationen und Behörden in die regulatorische Entwicklung des CSCS involviert. Dies verdeutlicht die Komplexität der regulatorischen Entwicklung des CSCS.
Die rechtlichen Grundlagen für das CSCS bestehen aus einer Vielzahl von Regelungen. Gleichwohl besteht für das CSCS kein Gesetz. Am 14. November 2022 ist zwar der Gesetzentwurf für das CSCS veröffentlicht wurden. Gleichwohl ist dieser Gesetzentwurf bis heute nicht in Kraft getreten. NDRC hat am 20. Mai 2024 in einem Circular mitgeteilt, daß die Verabschiedung des Gesetzentwurfes beschleunigt werden soll. Der Gesetzentwurf zum CSCS enthält insbesondere regulatorische Vorgaben, die an die Behörden in China gerichtet sind, die für die Umsetzung des CSCS zuständig sind. Dies sind bspw. Vorgaben mit Blick auf den Inhalt des Credit Reports und die Speicherung von Daten.
Blacklistings
Das CSCS sieht drei Stufen von Blacklistings vor, die nach der Schwere des Regelverstoßes ausgelöst werden. Diese Blacklistings werden hier zum einfacheren Verständnis bezeichnet als “Level 1 Blacklisting”, “Level 2 Blacklisting” und “Level 3 Blacklisting”.
Eine wichtige Rechtsgrundlage zur Einstufung des Regelverstoßes in eine der drei Stufen des Blacklistings ergibt sich aus dem Notice on Further Improving the Credit Repair Mechanism of Administrative Punishment Information on the „Credit China“ Website and Local Credit Portal Websites, der von NDRC am 30. April 2019 veröffentlicht wurde und am 1. Juli 2019 in Kraft getreten ist.
3 Stufen von Blacklistings
- Level 1 Blacklistings sind Blacklistings mit Blick auf die schwerwiegendsten Regelverstöße. Diese Blacklistings werden in die CSCS-Datenbank für 3 Jahre eingetragen. Die vorzeitige Löschung eines solchen Blacklisting ist vor Ablauf der dreijährigen Eintragungszeit nicht möglich.
- Level 2 Blacklistings werden bei Regelverstößen ausgelöst, die weniger schwerwiegend als bei Level 1 Blacklistings, aber schwerwiegender als bei Level 3 Blacklistings sind. Diese Blacklistings sehen eine Eintragungszeit von 6 Monaten bis zu 3 Jahren vor. Die Löschung eines solchen Blacklisting ist vor Ablauf der Eintragungszeit unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
- Level 3 Blacklistings werden bei Regelverstößen ausgelöst, die weniger schwerwiegend sind als bei Level 1 und Level 2 Blacklistings. Level 3 Blacklistings sehen eine Eintragungszeit von 3 Monaten bis zu einem Jahr vor. Die Löschung eines solchen Blacklisting ist vor Ablauf der Eintragungszeit unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
Keine Aufrechnung von Blacklistings mit Redlistings, aber Risiko des Verlusts von Redlistings
Blacklistings werden nur dann gelöscht, wenn entweder die Eintragungszeit abgelaufen ist oder vor der Eintragungszeit erfolgreich ein Antrag auf Löschung gestellt wurde. Die vorzeitige Löschung des Blacklistings ist bei Level 1 Blacklistings nicht möglich.
Zudem können Blacklistings nicht mit Redlistings aufgerechnet werden. Dies bedeutet, daß Blacklistings etwa nicht dadurch geheilt werden können, daß das Unternehmen auch „geredlistet“ wurde. Beispiel: Das Unternehmen erhält aufgrund von Regelverstößen im Zoll ein Blacklisting. Zuvor erhielt das Unternehmen ein Redlisting von der Steuerbehörde. Das Blacklisting wird bestehen bleiben und das Redlisting wird aufgrund des Blacklistings entfallen.
Folgen von Blacklistings für Unternehmen
Unternehmen mit Blacklistings begegnen einer Reihe von kommerziellen und regulatorisch negativen Folgen. Zunächst besteht das kommerzielle Risiko, daß das geblacklistete Unternehmen Kunden verlieren könnte, da Kunden aufgrund der vertraglichen Situation, aufgrund von Vorgaben von Unternehmensrichtlinien (bspw. Code of Conduct) oder aus strategischen Gründen (bspw. Reputationsmanagement) gegenüber dem geblacklisteten Unternehmen auf Abstand gehen könnte. Dies könnte dann wiederum zu Geschäftseinbrüchen beim geblacklisteten Unternehmen führen.
Zu den regulatorischen Folgen gehören, daß das geblacklistete Unternehmen einer strikteren Behördenpraxis mit Blick auf Genehmigungen und Registrierungen begegnen würde. Zudem sind erhöhte Inspektionen durch chinesische Behörden und Restriktionen (ggfs. Verboten) mit Blick auf die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen zu erwarten. Dies ist gerade für Unternehmen mit Kunden im staatlichen Bereich in China bedeutsam. Weitere regulatorische Folgen kommen hinzu.
Zudem sollte das Szenario beachtet werden, daß nicht das eigene Unternehmen, sondern der Geschäftspartner (bspw. der Zulieferer) im CSCS einem Blacklisting unterliegt. Unternehmen müssen sich sodann die Frage stellen, ob die Geschäftsbeziehung mit dem geblacklisteten Zulieferer beendet werden muß oder nicht, und welche rechtlichen und strategischen Folgen sich aus dem Blacklisting des Zulieferers ergeben. Daher ist es wichtig, die Zulieferer und generell die Geschäftspartner im Rahmen von Background Checks regelmäßig auf Blacklistings zu prüfen.
Folgen von Redlistings für Unternehmen
Unternehmen mit Redlistings begegnen regulatorischen Vorteilen wie bspw. der beschleunigte Ablauf von Genehmigungen und Registrierungen bei Behörden, der erleichterte Zugang zu Darlehen bei Banken und die erleichterte Möglichkeit für den Erwerb von Landnutzungsrechten vom chinesischen Staat.
Strategische Implikationen für Unternehmen mit China-Geschäft
Die nachstehenden Punkte sind besonders bedeutsam.
- CSCS Playbook und Sanktionen: Unternehmen mit China-Geschäft sollten zunächst das regulatorische Playbook des CSCS verstehen, um eine solide Risikomanagement-Strategie entwickeln zu können. Unternehmen sollten daher verstehen, welche Regelverstöße erhöhte Compliance-Risiken nach dem CSCS auslösen, um insbesondere diese konkret abzustellen. Mit Blick auf die geopolitischen Risiken sollte auch geprüft werden, ob der Verstoß gegen chinesische Sanktionsvorschriften spezielle CSCS-Risiken auslösen könnte. Das Thema Sanktionen im Zusammenhang mit CSCS wird vermutlich an Bedeutung zunehmen.
- Geschäftspartner mit Blacklistings: Geschäftspartner sollten regelmäßig im Rahmen von Background Checks auf Blacklistings geprüft werden. Sind Geschäftspartner geblacklistet, müssen die kommerziellen und regulatorischen Folgen, die sich aus diesem Blacklisting ergeben, sorgfältig geprüft werden. Dies betrifft insbesondere Geschäftspartner in der Supply Chain aufgrund von Risiken, die von Kunden ausgelöst werden könnten.
- Krisenmanagement: Die Datenbank von CSCS ist öffentlich zugänglich. Nur wenige Klicks in der CSCS Datenbank zeigen, ob das eigene Unternehmen einem Blacklisting unterliegt. Dieses hohe Maß an Transparenz kann, sobald das eigene Unternehmen betroffen ist, eine signifikante Reputationskrise auslösen. Eine robuste Krisenmanagement-Strategie, die derartige Reputationskrisen antizipiert und auf das eigene Risikoprofil des Unternehmens zugeschnitten ist, ist unerläßlich.
Die Ausführungen zum Corporate Social Credit System in diesem Beitrag sind vereinfacht dargestellt und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Zum einfacheren Verständnis wurden lokale und industriespezifische Regelungen mit Blick auf das Corporate Social Credit System nicht berücksichtigt. Die regulatorische Entwicklung des Corporate Social Credit Systems ist noch nicht abgeschlossen, so daß weitere Regelungen hierzu zu erwarten sind. Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung oder anderweitige Beratung dar.